Dein Start ins Leben

Was hat es mit dem Urvertrauen auf sich?

Die ersten Stunden und Tage deines Lebens sind eine besondere Zeit für deine Eltern. Es ist der Beginn deines Lebens, der Start einer lebenslangen Beziehung zwischen dir und deinen Eltern und äußerst wichtig für dein Urvertrauen.

Urvertrauen wird in der Psychologie als jene innere emotionale Sicherheit 🙏 definiert, die du als Baby in den ersten Lebensmonaten entwickelst. Das führt dann zu dem positiven Grundgefühl, dass du Menschen vertrauen kannst. In dieser Phase entsteht eine Grundhaltung, die sich durch dein ganzes Leben zieht. Wenn das Urvertrauen bereits in der Kindheit fehlt, ist es im Erwachsenenalter sehr schwer, anderen Menschen zu vertrauen. Menschen, die in der Kindheit nicht genügend Liebe erfahren, sind meist sehr verschlossen und bauen Wände um sich herum auf. Wände, die Schutz vor potenziellen Gefahren bieten sollen.

Vertrauen entwickelst du, wenn du Geborgenheit spürst.

Zeiten, in denen du als Neugeborenes allein bist oder keine Sicherheit empfindest, fördern Misstrauen. Beide Empfindungen sind sehr wichtig. Entscheidend für deine gesunde Persönlichkeitsentwicklung ist, dass sich das Vertrauen stärker entwickelt als das Misstrauen.

Babys entwickeln sich im Allgemeinen insbesondere in den ersten Lebensjahren sehr schnell – körperlich und geistig. So bekommen Eltern zur Geburt unzählige Strampler geschenkt, die sie schweren Herzens zwei Wochen später wieder aussortieren müssen. Denn so wie die Raupe aus ihrer eigenen Haut wächst, so wächst die menschliche Raupe Nimmersatt aus ihren Kleidern heraus. Da können die Omis dieser Welt den Dinosaurieranzug noch so schön finden. Was nicht mehr passt, passt nicht mehr. Und so entstehen die ersten Häutungen – und Veränderungen – deines Lebens schon ganz früh.

Weißt du, dass du als gesunder Säugling dein Geburtsgewicht bereits innerhalb der ersten fünf Monate verdoppelst? Nach dem ersten Jahr bringen Babys oftmals sogar bereits das Dreifache auf die Waage. In diesem Alter freuen sich deine Eltern und alle anderen noch über die Zunahme an Gewicht. Die Babybacken und die kleinen Rollen sind zu Babyzeiten hoch im Trend – das sieht heute anders aus. Ein genüssliches Bäuerchen führt bei allen, die das Gesicht eines Babys anschauen, eher zu einem „Och, wie süß“. Und noch besser: Die meisten Eltern freuen sich über jeden einzelnen Pups des Kindes, weil sie wissen, dass das zu weniger Bauchschmerzen, somit weniger Schreien und mehr Schlaf für sie führt.

Wahrscheinlich werden dir deine Eltern Folgendes bestätigen können: Warst du wach, warst du hungrig. Und: Mit einem hungrigen Baby ist nicht zu spaßen. Kaum fertig getrunken, fallen den meisten schon wieder die Augen zu. Ein voller Bauch macht eben müde. Du kennst es sicher noch heute.

Kaum zu glauben: Neugeborene benötigen 16 bis 20 Stunden Schlaf pro Tag. Das hält auch eine Weile an. Nach den ersten sechs Wochen sind es immer noch 15 bis 16 Stunden pro Tag. Erst nach vier Monaten reduziert sich der Schlaf auf neun bis zwölf Stunden und zwei Nickerchen am Tag. Einige Mütter werden das nun wahrscheinlich lesen und sich denken: „Ja, die Betonung liegt auf dem Schlaf am Tag.“ Getreu nach dem Motto „Ich bin morgens immer müde – aber abends werde ich wach“ halten die meisten Babys gerne Nachtwache. Und die Eltern dann ebenso.

Warum gehe ich so genau auf das Füttern und Schlafen ein? Ganz einfach: Ich möchte auf deine damalige Bedürftigkeit hinweisen. Das viele Schlafen kannst du dir als Baby nur erlauben, weil du gefüttert und umsorgt wirst. Denn: Neugeborene werden als „Traglinge“ geboren. Sie würden ohne Hilfe, Fürsorge, Liebe und Nähe verhungern und sterben. Säuglinge sind auf Hilfe angewiesen. Und sie haben ein besonders großes Bedürfnis nach Geborgenheit.

Die Bindungstheorie

John Bowlbys hat im Zuge seiner Bindungstheorie herausgefunden, dass Säuglinge ab der Geburt das angeborene Bedürfnis nach Zuwendung und den Schutz einer vertrauten Person haben und danach suchen. Diese vertrauten Menschen sind deine Bezugspersonen. Wenn du dort die zu verlässige Sicherheit und Geborgenheit findest, baust du eine sehr enge Bindung auf. Nun ist vorstellbar, welche Auswirkungen es bis zu deinem heutigen Erwachsenenalter hat, wenn diese Bindung fehlt und du als Baby keine Liebe und Zuneigung bekommst.

Du entwickelst ein sogenanntes interaktives Bindungssystem, um dir im ersten Lebensjahr die Nähe der Bezugsperson zu sichern. Die Verhaltensweisen sind das Suchen der Bezugsperson, Weinen und Festklammern. Bei der Trennung von der Bindungsperson sowie einer äußeren oder inneren Bedrohung, Schmerz und Gefahr bewirkt dein System nach der Bindungstheorie Protest, Ärger, Verzweiflung und Trauer. So beginnen Babys zu weinen und beruhigen sich direkt, wenn die Bezugsperson in der Nähe ist. Die wichtigste Aufgabe der Bezugsperson für das Baby ist es also, es vor Bedrohungen zu schützen und ihm emotionale und reale Sicherheit zu geben. Erst wenn das Bindungsbedürfnis durch eine sichere emotionale Basis befriedigt ist, wird Explorationsverhalten – der Drang, die Umwelt zu erkunden – möglich.

Ob eine Person als Bezugsperson gilt, hängt vor allem davon ab, wie viel positive Zeit mit ihr verbracht wird. Zu den natürlichen Bezugspersonen gehören die Mutter und der Vater, die Neugeborene ernähren und umsorgen. Hier werden die ersten Grundsteine für eine starke und innige Bindung gesetzt – insbesondere, wenn viel Zeit gemeinsam verbracht wird.

Mütter haben aufgrund des Stillens dabei einen biologischen Vorteil. Aber selbstverständlich kann der Vater mit bewusster Zeit dafür sorgen, dass seine Stimme, seine Nähe und sein Geruch für dich vertraut werden. Nun geht es um dich und deine Bezugspersonen: Wer war das damals? Deine Mutter, dein Vater oder eine andere Person, mit der du als Baby und Kleinkind viel Zeit verbrachtest? So zählen dazu meist auch die Großeltern, Verwandte oder Tagesmütter und Erzieherinnen in der Kindertagesstätte.

🔎 Und welche Wirkung hatten diese Personen auf dich? Stelle das für dich persönlich in der Lernaufgabe #4 fest.

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