Eltern haften für ihre Kinder

Deine negativen Glaubenssätze, die du als Kind lernst, sind die Bewohner deines Schattenkindes.

Dazu gehören zum Beispiel deine Sorgen, Ängste und Zweifel. Was kannst du heute für dich daraus schließen? Dein Schattenkind ist der Anteil deines Unterbewusstseins, der in deiner Vergangenheit durch eine Verletzung von einer der vier von Stahl genannten Grundbedürfnisse negativ geprägt wird. Diese sind: das Bedürfnis nach Bindung, nach Autonomie und Kontrolle. Dazu kommen die Wünsche nach Lustbefriedigung beziehungsweise Unlustvermeidung sowie nach Selbstwerterhöhung beziehungsweise Anerkennung. Stahl beschreibt in ihrem Buch ausführlich die mögliche Entwicklung von negativen Glaubensätzen, wenn Grundbedürfnisse in der Kindheit nicht erfüllt wurden. Die meisten Eltern tun das sicher nicht absichtlich. Kein Elternteil nimmt sich vor, negativen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes zu haben.

Es gibt Fälle, in denen sich Mütter oder Väter beispielsweise aufgrund von psychischen Problemen oder suboptimalen sozialen Umständen nicht so um das aufwachsende Kind kümmern können, wie sie es eigentlich gerne wollen. Oder tun müssen. In solchen Fällen haben sie nicht die Kontrolle über ihre eigenen Emotionen und es gelingt ihnen nicht, die richtigen Emotionen an das Kind weiterzugeben.

Vielleicht kennst du auch die Probleme zwischen Geschwistern. Beispielsweise kommt es vor, dass das ältere Kind der Familie weniger Aufmerksamkeit bekommt. Unbewusst bevorzugen die Eltern vielleicht das jüngere Geschwisterchen, was beim älteren Kind zur emotionalen Vernachlässigung führt. Das Bindungsverhalten ist in den ersten zwei Lebensjahren, wie bereits erwähnt, besonders stark ausgeprägt. Dazu gibt es die unterschiedlichen Theorien und Ansichten.

Die 4 unterschiedlichen Bindungsmuster von John Bowlby

Das sicher gebundene, unsicher-vermeidende, das unsicher-ambivalent gebundene und das unsicher-desorganisiert gebundene Kind:

Das sicher gebundene Kind

Das sicher gebundene Kind hat Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit der Bezugsperson. Sie ist die sichere Ausgangsbasis. Auf diese Person ist „Verlass“. Im Erwachsenenalter entspricht dies einem sicherautonomen Bindungsverhalten und das Vertrauen in andere fällt leicht.

Das unsicher-vermeidende Kind

Das unsicher-vermeidende Kind akzeptiert bei Abwesenheit der Bezugsperson auch eine fremde Person als Ersatz – doch innerlich ist das Kind sehr aufgewühlt. Warum tut es das? Es ist Selbstschutz: Um die Zurückweisung der Bezugsperson nicht permanent erfahren zu müssen, wird der Kontakt vermieden und möglichst keine Angst gezeigt. Das Kind kann kein Vertrauen auf Unterstützung entwickeln, sondern erwartet Zurückweisung. Infolgedessen unterdrückt das Kind seine Annäherungsneigung, um zumindest in einer tolerierbaren Nähe zur Mutter zu bleiben. Negative Gefühle werden unterdrückt. Als Erwachsener äußert sich dieses Bindungsverhalten in Angst vor einer festen Beziehung oder dem Zeigen von Gefühlen. Beziehungen werden idealisiert – am besten sind die Beziehungen ohne das ganz große Gefühl: Denn dort ist die Gefahr des Schmerzes geringer.

Das unsicher-ambivalent gebundene Kind

Das unsicher-ambivalent gebundene Kind ist sehr stark auf die Bezugsperson fixiert. Im Erwachsenenalter scheint man in früheren Beziehungen gefangen und die späteren Beziehungen gelten als bindungsverstrickt, da die negativen Erlebnisse der eigenen Kindheit auf den Umgang mit eigenen Beziehungen übertragen werden. Das kann sich zum Beispiel in Form von einer großen Eifersucht oder einem Kontrollzwang zeigen.

Das unsicher-desorganisiert gebundene Kind

Das unsicher-desorganisiert gebundene Kind zeigt emotional widersprüchliches und inkonsistentes Bindungsverhalten. Dieses Bindungsmuster wird als ein „Steckenbleiben zwischen zwei Verhaltenstendenzen“, der Nähe zur Bindungsperson und der gleichzeitigen Abwendung von ihr gesehen. Die emotionale Kommunikation ist gestört, weil die Bezugsperson gleichzeitig Quelle und Auflösung der Angst ist. Dies kann entstehen, wenn im Umgang mit dem Kind bei der Bezugsperson eine traumatische Erfahrung reaktiviert wird. Das zeigt sich häufig bei Menschen, die eigentlich eine enge Beziehung möchten, doch auf Abstand gehen, sobald das Gegenüber dies erwidert.

Die Bindungssicherheit wirkt sich auf deine mentalen Prozesse und dein Verhalten aus.

Die frühe Beziehungsqualität ist von großer Bedeutung, weil sie dazu beiträgt, welches mentale Verarbeitungssystem sich einprägt. Und dies ist wiederum die Basis für die Beziehungsgestaltung in der Zukunft. Die Schaffung einer psychischen Realität ist somit die zentrale Aufgabe der Bindung an die Bezugsperson.

Eltern haften in gewisser Weise auch für dein Aussehen – zumindest deren Gene. „Bei diesen schönen Eltern kann ja nur ein schönes Kind entstehen“, sagt Heidi aus der Nachbarstraße. Und natürlich – sehr oft ähnelst du deinen Eltern. In den meisten Fällen (außer der Postbote war zu oft da) werden von deiner Mutter und deinem Vater äußerliche Merkmale vererbt. Ungefähr 25.000 Gene befinden sich auf deinen Chromosomen und sind verantwortlich für dein Aussehen. Welche Haarfarbe hast du? Bist du blond wie die Mutter oder ist es doch eher das braune Haar des Vaters?

Gene koordinieren sämtliche Prozesse in deinem Körper. Auch was im Laufe deines Lebens aus dir wird, bestimmen sie in gewissem Maße. Richtig gelesen – in gewissem Maße.

Das Umfeld, in dem du aufwächst, sowie deine Erfahrungen und Erlebnisse im Leben – und das, was du später daraus machst – spielen eine ebenso große Rolle. In der Kindheit sind die Eltern in der Haftung – denn hier bist du höchst schutzbedürftig.

Wann bist du eigentlich Kind?

Die Definition des Zeitraumes der Kindheit ist unterschiedlich. Im biologischen Sinne ist Kindheit der Zeitraum im Leben eines Menschen von der Geburt bis zur geschlechtlichen Entwicklung – der Pubertät.

Im gesetzlichen Sinne fällt mir persönlich „Eltern haften für ihre Kinder“ ein – das war noch vor einigen Jahren an jedem Schaufenster zu le sen. Wenn du das liest, weißt du, was gemeint ist. Kinder sollen nichts kaputt machen, sich benehmen, sonst müssen die Eltern für den Schaden aufkommen. Demnach wäre es doch gleich besser, wenn sich Kinder bereits wie Erwachsene verhalten, oder?

Angewiesen auf die Liebe deiner Eltern, lernst du schon früh, dich anzupassen – dich zu benehmen.

Du lernst, „was sich gehört“ und „was sich eben nicht gehört“. Du entwickelst Verhaltensweisen, die du bis ins Erwachsenenalter trägst. Wahrscheinlich fällt dir bereits jetzt eine passende Situation aus deiner Vergangenheit dazu ein?

Der Erziehungsstil deiner Eltern spielt eine erhebliche Rolle für dein Aufwachsen. Die Sprüche „wie die Mutter, so die Tochter“ oder „wie der Vater, so der Sohn“ sind bis zu einem gewissen Grad wahr. Als Kind wer den dir Werte vermittelt, die dich für das Leben prägen.

Überlege einmal für dich selbst: Leben deine Eltern zusammen oder getrennt? Wie wirkt sich das auf dich aus? Spricht deine Mutter schlecht über deinen Vater oder umgekehrt? Hast du das Gefühl, für ihr Wohl und Frieden verantwortlich zu sein?

Gemeinsame Zeit in der Familie ist wichtig für die kindliche Entwicklung.

Versetze dich zurück in deine Kindheit: Wird in deiner Familie gemeinsam gegessen, gespielt und gelacht? Wird auch mal etwas diskutiert oder vermeidet man jede Art der Konfrontation mit Problemen? Gibt es strenge Rituale, kühle Distanz und einen Zwang zur aseptischen Sauberkeit?

Doch diese sollen für dich als erwachsene Person keine Ausrede dafür werden, um eigene Fehler zu rechtfertigen. Sie sind Ursachen; diese können vielleicht nicht mehr geändert werden. Die Ursachen zu kennen ist gut. Nun gilt es an der Wirkung zu arbeiten. Am Ende werden die Prägungen der Eltern ein Leben lang von dir getragen. Oder zumindest so lange, bis du als Erwachsener die Verantwortung für dich selbst übernehmen kannst.

Egal, welches Bindungsverhalten du als Kind an den Tag legst: Die Abnabelung von einer emotionalen Abhängigkeit ist wichtig, um im Erwachsenenalter gesunde Beziehungen zu führen. Idealerweise wendest du dich im Laufe der Kindheit der Außenwelt zu. In der Pubertät lernst du weitere neue Menschen kennen und bildest deine sozialen Wertvorstellungen und Glaubenssysteme aus – die einen großen Einfluss auf deine Selbstliebe und Anerkennung haben. Diese Öffnung ist auch ein erster Schritt in die Richtung der Selbstständigkeit. Der Ablösungsprozesses von deinen Eltern beginnt, bis er schließlich in der Pubertät seinen Abschluss findet – hoffentlich.

🔎 Überlege für dich, was auf dich zutrifft und welches Muster für dich passt. Deine Antworten kannst du in der Lernaufgabe #6 festhalten.

„Ich glaube, dass Erziehung Liebe zum Ziel hat. Wenn Kinder ohne Liebe aufwachsen, darf man sich nicht wundern, wenn sie selbst liebloswerden.“ Astrid Lindgren

Spotify Playlist

Nächste Lektion