Die Metamorphose des Schmetterlings

Schmetterlinge werden nicht als Schmetterlinge geboren. Sie haben den langen Weg der Metamorphose vor sich.

Diesen Weg durfte ich hautnah in der Grundschule begleiten:

Unsere Grundschullehrerin ermöglichte uns Schüler*innen, die Entwicklung von Schmetterlingen aus der Nähe zu verfolgen. Gemeinsam mit ihr gingen wir in den Wald, sammelten Raupen und kümmerten uns danach um sie, bis sie Schmetterlinge wurden. Die Entwicklung eines Schmetterlings ist etwas ganz Besonderes. Eine spannende Reise und Entwicklung, an die ich mich bereits mein ganzes Leben erinnere. Das ist der Grund, warum ich das Buch “ Metamorphose” geschrieben habe.

Unsere Grundschullehrerin hatte uns damals erklärt, dass die Verwandlung einige Zeit dauern kann und sie sei je nach Schmetterlingsart unterschiedlich lang. Und was ich heute weiß: So ist es auch bei uns Menschen. Dies betrifft die körperliche und geistige Entwicklung. Manche Kinder fangen schon früh an zu laufen. Andere sprechen sehr früh. Die einen kommen früher in die Pubertät, die anderen später. Die körperliche Entwicklung geschieht bei jedem unterschiedlich schnell.

Eine weitere Verwandlung steht einem erwachsenen Menschen bevor - ein Wandel von Verhalten, Denkmustern und Charaktereigenschaften.

Zurück zu den Schmetterlingen und deren Start ins Leben: Egal, um welche Schmetterlingsart es sich handelt: Die Eier werden von den allen Schmetterlingsweibchen an einer Futterpflanze abgelegt. Bestimmte Arten geben sich bei der Eiablage besonders große Mühe. Beispielsweise können der Ort und die Umwelt auf die Form der Eier abgestimmt sein. Einige Schmetterlingsarten legen ihre Eier einzeln ab, um sie besonders zu schützen. Nach der Eiablage kümmern sich Schmetterlinge nicht mehr um das Gelege – ganz anders als unsere Eltern. Doch: Alle Eier sind von außen durch eine feste Schale geschützt und ungenießbar für Feinde.

›Nom, Nom‹, frisst die Raupe sich durch die nährstoffreiche Schale, bis sie das Licht der Erde erblickt.

Die Raupe muss nicht nach Nahrung suchen. Sie sitzt schon mittendrin im Fressen. Die Raupe frisst die Blätter und Blüten der Pflanze, auf der sie sitzt, um sich einen weiteren Pflanzensnack zu gönnen. Erstaunlich, diese Natur. Die erste Mahlzeit der kleinen Raupe ist bereits gesund. Alle Ernährungsexperten dieser Welt sind an dieser Stelle sicher stolz. Clean eating bereits nach der Geburt! Vorbildlich! Und so ist es doch auch bei Babys, die direkt die Muttermilch trinken.

Vielleicht erinnerst du dich noch an das Kinderbuch Die Raupe Nimmersatt? 🐛

Das beschreibt es wohl am besten: Sie ist auf der ständigen Suche nach Fressen. Die Raupe ist ein Tier mit vielen Füßen und kommt dennoch nicht schnell voran. Die bleibt dort, wo es gerade die saftigste Mahlzeit gibt. Das ist ihr auch gar nicht wichtig. Und so ging es dir als Kind doch auch, oder? Du hattest keine Ziele. Keine Timelines und Abgabetermine. Du warst nicht in Eile, den nächsten Termin einzuhalten. So wie die Raupe in der Natur warst du darauf möglichst viel zu entdecken.

Wir stellten fest, dass es gar nicht so einfach war, Raupen zu finden, wenn man tatsächlich nach ihnen Ausschau hält.

Manchmal ist es im Leben so, dass man Dinge, die bereits da sind, nicht sieht. Man muss genauer hinschauen! Und wenn man nach etwas sucht, findet man es manchmal nicht, weil man sich zu sehr auf ein Detail fokussiert. Man verliert sich in dem einen Gedanken und verliert den Blick für das große Ganze.

Wir gaben nicht auf und fanden Raupen. Im Klassenzimmersetzten wir die Raupen in ihren vorbereiteten Raupenkasten. Sie brauchen einen Ort, an dem sie sich wohlfühlen. Nur so können sie sich bestmöglich entfalten.

Raupen sehen je nach Art unterschiedlich aus. Unsere gesammelten Raupen des Blauen Morphofalters beispielsweise warenschlank – und ich fand sie besonders aufgrund ihrer rotbraunen Färbung und hellgrünen und gelben Flecken sehr schön. Aber mal ganz ehrlich: Wenn du dir dieses doch etwas seltsame Farbenspiel einer Raupe ansiehst, kannst du dir dann vorstellen, dass daraus das großartige, leuchtende Blau des Morphofalters entstehen würde?

Beim Wachsen muss die Raupe sich mehrfach häuten, weil es zu eng in ihrer Haut wird.

Für die Häutung pausiert die Raupe einige Tage mit dem Fressen und zieht sich zurück. In der Ruhe kommt die Veränderung. Die Raupe hat eine gute Strategie, um sich und ihr Körpervolumen zu vergrößern: Siebildet eine neue, größere Haut, die unter der alten wächst. In dieser neuen Haut ist dann wieder Platz zum Wachsen und die Raupe kann noch größer werden. Diesen Vorgang durchläuft die Raupe dann so oft, bis sie die endgültige Größe erreicht hat.

Um sich zu verpuppen und ein Schmetterling werden zu können, benötigt sie die richtige Umgebung, Ruhe und Sicherheit.

Dieser Platz ist wohl bedacht ausgewählt. Fühlt sich die Raupe wohl, befestigt sie sich mit dünnen Fäden an einem Zweig. Es gibt keine fertige Puppe, in die sie kriechen könnte. Die Puppe macht die Raupe selbst. Die Puppe entwickelt sich unter der letzten Raupenhaut.

Ich frage mich, ob die Raupe eine Vorstellungskraft über ihre Verwandlung und ihre eigenen Fähigkeiten hat. Wahrscheinlich ist es ihr gar nicht so wichtig. Warum sollte sie sich auch ständig Sorgen darum machen, was einmal aus ihr wird? Wahrscheinlich vertraut sie einfach ihren Instinkten und lässt die Dinge geschehen. Sie mampft ihre Pflanzensnacks und erkundet furchtlos die Welt, in der sie lebt. Und wenn die Zeit gekommen ist, verändert sie sich.

In der Puppe wächst der Schmetterling nun langsam heran. Es beginnt der aufregendste Moment im Inneren der Puppe: Die Organe, die bisher wunderbar im Raupenleben funktioniert haben, so etwa wie die Mundwerkzeuge, lösen sich auf. Einige Mini-Gewebeteile bleiben intakt und bilden die Basis für den Schmetterling. Dann formen sie sich um in die Organe, die nach Vollendung der Metamorphose einen Falter bilden. Schmetterlingsexperten sprechen hier von einer Art lebendiger Raupensuppe, aus der sich der erwachsene Schmetterling neu zusammensetzt. Sobald die Entwicklung fertig ist, beginnt die letzte Phase der Metamorphose und der Schmetterling befreit sich aus der Puppe.

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die Metamorphose sind Prozesse in der Natur bei denen zwei unterschiedliche Tiere beteiligt sind. Der Raupe wachsen nicht einfach Flügel, um dann ein Schmetterling zu werden. Sie muss durch die gesamte Veränderung durch! Und so geht es auch uns Menschen. Wir können nicht denken, dass wir einfach mehr von den Dingen tun, die uns eigentlich nicht weiterbringen.

Wir müssen eine wirkliche Veränderung aktiv herbeiführen, wenn wir es wirklich wollen. Und das geht eben unterschiedlich schnell. Bevor die Raupe zum Schmetterling wird, muss sie während eines Ruhestadiums in der Puppe verweilen. Nur so kann sie sich entwickeln.

Der Schmetterling schlüpft. Die starre Puppe bricht auf und der Schmetterling zwängt sich aus der Hülle heraus.

Seine Flügel sind feucht, verknittert und noch nicht vollständig entfaltet. Der Schmetterling fliegt nicht direkt los: Er verweilt, an der Puppe hängend, noch einen Moment. Mit entfalteten, getrockneten und starken Flügeln war er nun bereit zum Abflug.

Bei dem Anblick verschwand der Gedanke daran, dass er zuvor doch eher hilflos in einer Puppe gefangen aussah. Das war Vergangenheit. Ab jetzt zählte nur noch der verwandelte Schmetterling Und die beste Nachrichtdabei ist.

Die Verwandlung ist kein Tod. Es ist ein Neuanfang.

Nach der Metamorphose haben wir die Schmetterlinge in die Freiheit entlassen – so frei und schön. Raus aus dem Schulfenster, hinein in die Welt auf die Entdeckungsreise nach dem besten Nektar. Auf Wiedersehen, Blauer Morphofalter. Auf dass du mit deinem Leuchten die Welt 🌍 begeisterst.

„Wir staunen über die Schönheit eines Schmetterlings, aber erkennen die Veränderungen so selten an, durch die er gehen musste, um so schön zu werden.“ Maya Angelou

Unsere Lehrerin hatte uns hier zwei Dinge gelehrt.

1. 🐛 Zum einen vermittelte sie uns das Verständnis von Natur und Wissen über Schmetterlinge und deren Metamorphose. Aber noch viel wichtiger war die zweite Botschaft:

2. 🦋 Sich zu verändern, ist etwas Positives. Und um Veränderungen zu erleben, ist es wichtig, Altes loszulassen und auch mal neu zu starten. Wenn man aufmerksam hinschaut, fest an das Ziel glaubt und Geduldbewahrt, wird man am Ende mit der Faszination belohnt.

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